Gott sei Dank gibt es Menschen, wie dieses Ärzteteam, die selbstlos anderen Menschen helfen! Meine Freunde Inga Schilling und Werner Krauss hatten das Glück, dieses Team zu begleiten und berichten hier darüber.
Das Gesundheitssystem befindet sich in einem unterdurchschnittlichen Zustand. Die staatlichen Gesundheitseinrichtungen arbeiten mit kaum funktionstüchtigen Geräten. Medizinische Materialien und Medikamente fehlen allerorts. Die ländlichen oder schwer zugänglichen Gebiete werden vom Gesundheitssystem fast gar nicht versorgt. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei ca. 61 Jahren und die Säuglingssterblichkeit bei rund 5 Prozent (BRD ca. 0,35 %). Rein rechnerisch hat ein Arzt in Myanmar rund 3000 Einwohner „zu versorgen“, in Deutschland – als Vergleich – sind es durchschnittlich 226 Einwohner je Arzt. Das Klima im Rakhaing State, zudem Sitte gehört, zählt zu den ungesündesten der Erde.
Obwohl derzeit ungefähr 1 Mio. Touristen das Land bereisen, war es für uns eine ganz besondere Reise mit dem Hintergrund der oben gennanten Zahlen und Fakten.
Interplast e.V., Sektion München (www.interplast-muenchen.de), ist eine karikative Organisation, die seit 35 Jahren Patienten – meist Kindern und Jugendlichen – auf der ganzen Welt durch kostenlose Operationen zu einem „normalen“ Leben verhilft.
Wir – das sind Werner Krauss, Fotograf aus Nürnberg und Inga Schilling, Inhaberin einer Kindermodel-Agentur in Nürnberg – dürfen Teil des Interplast-Teams sein, das diesmal einen Einsatz in Burma, dem heutigen Myanmar, durchführt.
Das Team besteht aus 3 plastischen Chirurgen, 3 Narkoseärzten, 1 Narkosehelfer, 2 Schwestern sowie einer Studentin. Die Ärzte haben sich bereits monatelang auf den Einsatz vorbereitet. Sämtliche medizinische Gerät, Verbandmaterial, Medikamente etc., das für den Einsatz benötigt wird, wurde durch Spenden finanziert. Das gesamte Gepäck wiegt schließlich ganze 440 kg und verteilt sich auf 20 Kisten und Kartons.
Unsere Reise beginnt Ende Februar in Nürnberg, geht über Frankfurt und Bangkok und von Yangon schließlich nacht Sittwe, wo wir nach 38 Stunden müde und vor allem ziemlich hungrig ankommen. Aber vom Flughafen geht es sofort weiter zu unserem Zielort, dem Kloster in Sittwe.
Schon auf diesem kurzen Stück Weg können wir kontrastreiche Eindrücke sammeln: Auf der einen Seite das wunderschöne Land mit seinen goldenen Pagoden, die schon von weitem zu sehen sind. Auf der anderen Seite die grenzenlose Armut der Menschen und deren mehr als einfache Lebensumstände. Es gibt keine richtigen Straßen und Häuser. Überall sitzen Menschen auf dem Boden und bereiten dort im Staub ihre Speisen zu. Gelebt wir in einfachen Holzbaracken.
Der Ministerpräsident (Foto links, Mitte) des Rakhaing States neben dem Abt des Klosters. Auch er sollte
nicht auf gleicher Höhe wie geistige Würdenträger (Foto Mitte) sitzen.
Als wir im Kloster ankommen, erwarten uns bereits viele hilfsbedürftige Menschen. Aber trotz ihres Leides sind die Menschen freundlich und viele haben ihr schönstes Kleid angezogen. Die Kinder sind besonders „herausgeputzt“. Ein Blick in diese Gesichter reicht aus, um den eigenen Hunger und die fast unerträgliche Hitze zu vergessen, die hier auch in der Nacht noch herrscht.
Bei den Menschen, die hier auf das Ärzteteam warten, handelt es sich um ungefähr 70 Patienten. Einige von Ihnen haben eine mehrere Tage lange Reise hinter sich gebracht, in der Hoffnung hier Hilfe zu erhalten.
Es macht einfach Sinn diesen Menschen zu helfen … immer wieder gerne.
Bereits am ersten Abend können über 40 Patienten aufgenommen werden und eine Einteilung für die Operationen der nächsten Tage erfolgen. Leider müssen auch Patienten abgewiesen werden, wenn die notwendigen Operationen unter den dortigen Bedingungen auch für unser Ärzteteam nicht möglich sind, oder die Nachsorge sich über einen Zeitraum erstreckt, den der Hilfseinsatz zeitlich nicht abdecken kann. Natürlich müssen auch Patienten abgelehnt werden, die nicht in das Fachgebiet unseres Ärzteteams fallen.
Was wir zu sehen bekommen ist unvorstellbar: Verbrennungen, Geschwüre, offene Gaumenspalten und Lippen, Klumpfüße und schwerste Entstellungen. Wir werden wohl nie vergessen, wie hoffnungsvoll und dankbar uns die vielen schwer kranken Menschen, die gerade eine beschwerliche Anreise hinter sich gebracht hatten, entgegen blickten. Unglaublich tapfer und geduldig warten sie darauf, an die Reihe genommen zu werden und in den Genuss der Hilfe durch das Ärzteteam zu kommen. Jeder einzelne Patient wird genau untersucht, die Diagnose erstellt und dann zur Operation eingeteilt.
Dabei wäre die Behandlung eines Mädchens fast an einer 5 Euro teuren Laboruntersuchung gescheitert,
die ihre Familie nicht hätte bezahlen können. Dank der Spendengelder sind derartige Probleme schnell zu beheben. Eine niederschmetternde Erfahrung für uns zu sehen, wie viel eine aus unserer Sicht kleine
Summe bewirken oder eben verhindern kann.
So neigt sich ein langer Tag langsam dem Ende entgegen. Die vielen Eindrücke halten uns noch lange wach und wir sind mehr als gespannt auf die kommenden Tage. Unser Hotel ist sehr einfach, aber wir haben dort alles, was wir brauchen. Und die allgegenwärtige Freundlichkeit der Menschen lässt das sehr schnell vergessen.
… und warten darauf, an die Reihe zu kommen. Wir erkennen viele Patienten des Vortages wieder, die bereits auf die OP vorbereitet sind. Was uns besonders bewegt, sind die vielen Kinder darunter, die oft ohne Mutter oder andere Angehörige auf ihre Behandlung warten. Sie sind sehr tapfer. Kein Gejammer oder Geschrei ist zu hören. Lediglich mitgebrachte Stofftiere und Spielsachen helfen den Kleinen über die Zeit des Wartens hin-weg. Niemals zuvor haben wir Kinder gesehen, die so mutig alleine auf etwas warten, das sie nicht verstehen – ohne zu wissen, was mit ihnen geschehen wird.
An drei OP-Tischen werden bis zu 15 Operationen pro Tag durchgeführt. Manche davon dauern über 5 Stunden – und das unter einfachsten Bedingungen. Was das Team dort leistet ist überwältigend und bewundernswert. Für uns ist es eine sehr ergreifende Erfahrung, all das, vor allem auch die schwierigen Operationen, direkt miterleben zu können.
Bevor am darauf folgenden Tag die Operationen beginnen, findet die Visite bei den am Vortag operierten Patienten statt und die Verbände werden gewechselt. Mit Erstaunen können wir beobachten, wie schnell teilweise der Heilungsprozess einsetzt. Unglaublich, dass bei einigen Patienten die Operation erst einige Stunden zurück liegt. Sicherlich hilft den Patienten dort vor allem die familiäre Unterstützung und Fürsorge. Hierzulande ist es normal, dass die Familien für die Versorgung ihrer Angehörigen im Krankenhaus sorgen. Oft schläft eine Begleitperson unter oder mit im Krankenbett und versorgt den Betroffenen mit Essen und Getränken.
Der Junge mit dem Fußverband hat 6 Zehen an einem und 7 am anderen Fuß. Seine Finger an beiden Händen sind zusammen gewachsen. Er lebt ganze 40 Stunden vom Krankenhaus entfernt und wird von seinem Vater begleitet. Die Mutter ist hochschwanger zu Hause geblieben – zusammen mit den 4 anderen Geschwistern.
Neben den vielen neuen Patienten, die hier behandelt werden, interessieren wir uns natürlich auch sehr für jene, die 2014 vom Team Dr. Caius Radu operiert worden waren. Wir wollen wissen, wie es ihnen seitdem ergangen ist und wie sich ihr Leben nach der Operation verändert hat. Leider ist es hierzulande jedoch sehr schwierig Adressen ausfindig zu machen. Straßennamen und Hausnummern sind nicht die Regel. Viele Patienten wohnen mehrere Tagesreisen entfernt und geben lediglich eine Übergangsadresse an. Aber wir haben Glück und können wenigstens einige der Patienten ausfindig machen und treffen. Über einen ganz besonderen Jungen möchten wir hier berichten:
Durch die Hilfe unseres Begleiters und Ãœbersetzers Dr. Konso konnten wir doch ein paar Informationen und Adressen heraus finden.
2014 vor und nach der Operation         Fotos: Dr. C. + G. Radu
San Oo kommt auch 2015 ins Kloster, da er weiß, dass noch eine weitere Operation notwendig ist. Leider kann seine Stirn, aufgrund der reduzierten Verhältnisse vor Ort, nicht geschlossen werden. Dazu müsste er ein Europäisches Krankenhaus besuchen. Aber sein Gaumen kann geschlossen und sein Augenwinkel korrigiert werden.
Hierfür nahmen seine Eltern wieder die beschwerliche Reise auf sich und fuhren dafür 6 Stunden mit dem Boot und 4 Stunden mit dem Bus. Das Leben von San Oo hat sich bereits in diesem Jahr komplett verändert. Er kann nun mit den anderen Kindern zur Schule gehen und mit seinen Freunden spielen (außer Köpfen beim Fußball). Und auch den Mädchen schaut er schon hinterher, wie seine Mutter ganz stolz berichtet.
Seinen Eltern ist die Erleichterung darüber deutlich anzusehen, dass ihr Sohn so glücklich und fröhlich sein kann. Eine Situation, von der sie schon nicht mehr zu träumen gewagt hatten. Heute hat San Oo eine kleine Schwester von 6 Monaten. Ein Geschenk, das ein Jahr zuvor so noch nicht möglich gewesen wäre, da die gesamte Aufmerksamkeit und Fürsorge der Familie stets dem kleinen, tapferen Jungen galt.
Am Ende unseres 14-tägigen Aufenthalts können wir auf 114 Eingriffe an 99 Patienten zurück blicken. 45 weiblichen und 54 männlichen Patienten im Alter von 9 Monaten bis 76 Jahren konnte so geholfen werden. Eine Hilfe die dringend benötigt wird. Ermöglicht durch Spendengelder, die so sorgsam und sinnvoll eingesetzt werden wie in wenigen vergleichbaren Projekten. Wir ganz persönlich sind zutiefst beeindruckt von der Arbeit des Ärzteteams, die hier in Myanmar geleistet wurde und wird. Und wir sind stolz und froh darüber, ein Teil dieses Teams gewesen zu sein. Wir durften in den 14 Tagen viele überwältigende Eindrücke sammeln, die wir ganz sicher nie wieder vergessen werden.
Ein Menschenleben retten ist mehrwert, als eine siebenstöckige Pagode errichten.  Aus China
Inga Schilling, Werner Krauss
©Fotos: Werner Krauss  www.plusteam.eu
Quellennachweis: Atanango Reiseportal, mmtimes.com, wikipedia
Gerne spenden Sie an: Interplast Germany e. V. Sektion München   Spendenkonto: DE 16 700 100 8000 10666 800
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